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Reformbedarf der Kirche

Sexueller und geistlicher Missbrauch - und der Konflikt um die vom Erzbistum Köln in Auftrag gegebenen Gutachten


Auf einer Pressekonferenz am 18. März 2021 stellten Prof. Dr. Gercke und Frau Dr. Zirner ihr Gutachtenvor, in dem das Team der Kanzlei 254 Verdachtsfälle zwischen 1975 und 2018 ausgewertet haben. Es ermittelte 314 Betroffene, die sexuellen Übergriffen ausgesetzt waren.  Unter den 202 beschuldigten Kirchenvertretern waren 127 Geistliche.

Prof. Dr. Gercke hat - laut Aktenlage - 75 Pflichtverletzungen von acht lebenden und verstorbenen Verantwortlichen von 1975 bis 2018 ausgemacht. Mehrfache Pflichtverletzungen erkennt das Gutachten bei den bereits verstorbenen Erzbischöfen Höffner und Meisner, bei Weihbischof (früher: Generalvikar) Dominikus Schwaderlapp sowie dem früheren Kölner Generalvikar Norbert Feldhoff. Belastet wird auch der Leiter des Kölner Kirchengerichts, Günter Assenmacher, der in zwei Fällen unzutreffende Rechtsauskünfte gegeben haben soll. Schwer beschuldigt wurde auch der Hamburger Erzbischof Stefan Heße: Er habe elf Pflichtverletzungen begangen.
In keinem einzigen Fall attestieren die Gutachter den Verantwortlichen Strafvereitelung im strafrechtlichen Sinn.


Unmittelbar nach der Vorstellung des Gutachtens hat Kardinal Woelki den auch für Düsseldorf zuständigen Weihbischof Dominikus Schwaderlapp und Offizial Günter Assenmacher von ihren Aufgaben entbunden: "Daher möchte ich auch aus der Situation der Stunde heraus und auch auf der Grundlage dessen, was ich hier gerade gehört habe, die gerade Genannten, Weihbischof Schwaderlapp und Herrn Offizial Assenmacher, mit sofortiger Wirkung vorläufig von ihren Aufgaben entbinden", sagte Woelki am Donnerstag in Köln. >> mehr

Hamburger Erzbischof Heße bietet Rücktritt an:
"Um Schaden abzuwenden"

Nach der Vorstellung eines belastenden Missbrauchsgutachtens im Erzbistum Köln hat der Hamburger Erzbischof Stefan Heße Papst Franziskus seinen Rücktritt angeboten. Heße war früher Personalchef und Generalvikar im Erzbistum Köln.   
"Um Schaden vom Amt des Erzbischofs sowie zum Erzbistum Hamburg abzuwenden, biete ich Papst Franziskus meinen Amtsverzicht an und bitte ihn um die sofortige Entbindung von meinen Aufgaben", sagte er in einer live im Internet übertragenen persönlichen Erklärung am Donnerstag in Hamburg. Heße ist seit 2015 Erzbischof von Hamburg und war zuvor ab 2006 Personalchef und von 2012 bis 2015 Generalvikar im Erzbistum Köln.

>> zum Gutachten

 

Reaktionen auf Gutachten

Erklärung des Düsseldorfer Stadtdechanten

Weihbischof Ansgar Puff erklärt in einem persönlichen Video-Statement, wie er seine Rolle in den Missbrauchsvorgängen sieht.

>> Kommentar im Deutschlandfunk
"Kath. Kirche: Das unvollständige Missbrauchsgutachten"


Weitere Informationen
Zu der Untersuchung von Prof. Gercke u. a. wurden zwei juristische Gutachten angefertigt, eines aus strafrechtlicher und eines aus kirchenrechtlicher Perspektive, die die juristische Qualität der Methodik und des Vorgehens der Unabhängigen Untersuchung analysieren und bewerten.
Der Münchner Kirchenrechtler Prof. Dr. Dr. Elmar Güthoff legt eine ausführliche „Kirchenrechtliche Untersuchung zum Gutachten der Kanzlei Gercke/Wollschläger zum Umgang mit Missbrauchsfällen im Erzbistum Köln“ vor. Darin untersucht er, ob die Gutachter die „methodischen Standards der rechtswissenschaftlichen Begutachtung von Sachverhalten aus kirchenrechtlicher Sicht" einhalten.
Zudem hat der emeritierte Professor für Strafrecht und Kriminologie Dr. Heinz Schöch ein ausführliches „Gutachten zu Fragen der Einhaltung methodischer Standards aus strafrechtswissenschaftlicher Sicht“ angefertigt. Darin wird untersucht, inwieweit in dem Gutachten der Anwaltskanzlei Gercke-Wollschläger (GW) die methodischen Standards der rechtswissenschaftlichen Begutachtung von Sachverhalten eingehalten worden sind. Ein Schwerpunkt der Untersuchung betrifft dabei die Teile des Gutachtens, in denen persönliche Verantwortlichkeiten behandelt werden. Prof. Schöch hat  ein weiteres Gutachten erstellt, das die Methodik der Gutachten von Gercke-Wollschläger und Westpfahl-Spilker-Wastl. miteinander vergleicht. Der Vergleich dient sowohl einer wissenschaftlichen Einschätzung beider Untersuchungen, als auch einem ersten Überblick für die Öffentlichkeit, der dabei helfen soll, die Entscheidung nachzuvollziehen, warum das erste Gutachten nicht veröffentlicht werden konnte.
Alle drei Gutachten sind >> online verfügbar.
Ebenfalls ein >> Video der Pressekonferenz